Kirche macht ziemlich gute Arbeit

Dekan Jochen Wilde und der zugeschaltete Religionssoziologe Detlev Pollack
Bildrechte Dekanat/Mauch

Professor Detlev Pollack zeigt Dekanatskonferenz Entwicklungen auf und macht Mut zu Kirche. Gespannt verfolgt Dekan Jochen Wilde bei der Dekanatskonferenz den Ausführungen des aus Berlin zugeschalteten Religionssoziologen Professor Detlev Pollack.

„Kirche(n) am Kipppunkt?!“ – mit dieser Frage befassten sich die evangelischen Pfarrer*innen und Mitarbeiter*innen des Dekanatsbezirks am Montag, 13. Mai, bei ihrer Dekanatskonferenz im Evangelischen Zentrum in Passau. Der Referent, der Religionssoziologe Professor Detlev Pollack, war per Zoom aus Berlin zugeschaltet, ebenso Teile der Pfarrerschaft und Interessierte aus der katholischen Schwesterkirche.

Die evangelischen Kirchenmitglieder haben großes Vertrauen in ihre Kirche. Das Vertrauen sei in den vergangenen 50 Jahren, seit es die Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) gibt, sogar deutlich gestiegen, erklärte der Religionssoziologe Detlev Pollack. Er hat an der letzten und inzwischen sechsten KMU maßgeblich mitgearbeitet. Anders sieht es bei der katholischen Kirche aus. Hier hat der Umgang der Kirche mit den Missbrauchsvorfällen deutliche Spuren hinterlassen. In vielen anderen Bereichen, und das ist die Überraschung für den Wissenschaftler, gibt es keine signifikanten Unterschiede zwischen evangelischer und katholischer Kirche. Sie sitzen sozusagen in einem Boot und sind abhängig von gesamtgesellschaftlichen Trends. 

Die Gläubigen hätten eine starke Verbundenheit mit ihrer Kirche, besonders mit der Ortskirche, führte Pollock aus. Die Marginalisierung stärke sie sogar, und 85 Prozent der ehrenamtlich Engagierten lobten den wertschätzenden Umgang innerhalb ihrer Kirche. Diese Hochengagierten haben gute Erfahrungen mit Kirche gemacht. Kirchenferne hingegen halten die Institution für autoritär und verkrustet. Ein Vorurteil, das sich nicht so leicht aus der Welt schaffen lässt. Die Kirchen haben ein Imageproblem.

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Corona hat Gewohnheiten wie den wöchentlichen Kirchgang gebrochen und zu einem erheblichen Rückgang der Gottesdienstbesucher geführt. Etwa die Hälfte der evangelischen Kirchgänger macht jetzt am Sonntagvormittag etwas anderes. Obwohl sie nicht mehr in die Kirche gehen, verstehen sich trotzdem viele als Kirchgänger. Diejenigen, die aus der Kirche austreten, haben schon lange keinen Kontakt mehr zu ihrer Kirche. Sie ist ihnen gleichgültig.  „Wir haben nicht nur eine Kirchenkrise, sondern auch eine Glaubenskrise“, sagte Pollack. Der Glaube an Gott habe in der westlichen Welt massiv abgenommen, nicht nur in Deutschland. Und mit dem Glaubensverlust nehme auch die Kirchenbindung ab. 

„Kirche macht ziemlich gute Arbeit und das meiste richtig“ bescheinigte der in Berlin lebende Professor den Kirchen. Er riet aber, deutlicher zu machen, dass der diakonische Einsatz mit dem Glauben zu tun habe. Denn viele Menschen seien überzeugt, dass kirchliche Einrichtungen wie Altenheime oder Kindergärten die besseren seien und der Einzelne dort eher wahrgenommen werde. Der Einsatz für Arme, Kranke und Bedürftige ist für die Hälfte der Kirchenmitglieder ein Grund der Kirche treu zu bleiben. Und 34 Prozent schätzen den Einsatz der Kirche für Solidarität, Gerechtigkeit in der Welt und die Zukunft der Menschheit. Darüber hinaus rät der Religionssoziologe den Kirchen in der Seelsorge nahe an den Menschen zu bleiben und die Vielfältigkeit der Gesellschaft zu akzeptieren - ernst nehmen, Freiheit lassen, begleiten. 

Kirche befördere das Vertrauen in der Gesellschaft und Christ*innen bewirkten ihr mit ihrer positiven Lebenseinstellung Gutes. Ehrenamtliches Engagement ist eine wichtige Ressource für die Zivilgesellschaft. Kirchliche Gemeinschaft tut gut, verändert die Menschen, gibt ihnen Trost und Hoffnung, ermutigt und stärkt, so sein Fazit. Die Gesellschaft braucht sie.
Text und Foto: Hubert Mauch