Geschichte

Ein kleiner Blick in die Geschichte des Dekanates Passau


Unübersehbar katholisch geprägt ist die alte Bischofsstadt Passau und die Passauer Diözese. Namen wie Passau, Kloster Aldersbach oder Altötting und ihre prächtigen Kirchen lassen vergessen, dass es seit der Reformationszeit in dieser Gegend evangelisches Leben gab und gibt.
Spätestens seit 1522 wurde die Lehre Martin Luthers in Passau öffentlich verkündigt. Leonhard Pfeffinger, seit 1521 Stiftsprediger, hatte sich nach eigenem Bibelstudium der Reformation zugewandt und war ein gesuchter Prediger. Bereits 1523 musste er aus Passau fliehen und wurde später als Superintendent eine der Stützen der Reformation in Leipzig.
Bis heute lebendig ist die Erinnerung an Leonhard Kaiser. Der oberösterreichische Priester war 1523 wegen seiner Predigten im Sinne Luthers unter Eid verwarnt worden, ging dann aber nach Wittenberg und wurde Schüler und Freund Martin Luthers. Zu seinem todkranken Vater gerufen, wurde er 1527 verhaftet und auf die Feste Oberhaus gebracht Luther und Melanchthon schrieben ihm ins Gefängnis Trostbriefe. Nach öffentlicher Gerichtsverhandlung auf dem Passauer Domplatz wurde Leonhard Kaiser auf einer Kiesinsel im Inn in der Nähe von Schärding am 16. August 1527 verbrannt. Luther veröffentlichte eine weitverbreitete Dokumentation über die bewegenden Vorgänge. Heute erinnert eine Gedenktafel in Schärding an diesen evangelischen Märtyrer.
Trotzdem wuchs die Zahl der evangelischen Bürger in der Diözese, auch in der Stadt Passau; Studenten aus Passau und Pfarrkirchen zogen nach Wittenberg, um Martin Luther zu hören. Andere suchten brieflich Kontakt mit dem Reformator, wie der Leonhard Paminger, Rektor der Klosterschule im Augustinerstift St. Nikola und hochangesehener Komponist. Luther widmete ihm seinen Kommentar zum Galaterbrief, eines seiner Hauptwerke. Erstaunlich, welchen Einfluss die evangelische Lehre in der Diözese Passau gewann - und das ohne religiösen Mittelpunkt und ohne Prediger. Nur in Privathäusern konnten sich die Passauer Protestanten zu Gebet und Andacht versammeln.
Da war es für die ganze Region - bis weit nach Oberösterreich hinein - von großer Bedeutung, dass Reichsgraf Joachim von Ortenburg 1563 in seinem kleinen Territorium die Reformation eingeführt hatte; am 17. Oktober fand der erste öffentliche evangelische Gottesdienst statt, 10 Tage später im Rahmen einer großen Bürgerversammlung die feierliche Beschlussfassung. Ortenburg wurde zum Stützpunkt der evangelischen Bewegung in Niederbayern und Oberösterreich: Allein die Tatsache, dass es diese kleine evangelische Gemeinde gab, ermutigte bereits im Reformationsjahr 1563 Zehntausende, trotz strenger Strafen über die Grenze der Wittelsbachischen Lande nach Ortenburg "auszulaufen", um dort eine evangelische Predigt zu hören und das Abendmahl zu empfangen. Bürger und Kaufleute aus Passau und Umgebung ließen ihre Toten auf dem evangelischen Friedhof in Steinkirchen bei Ortenburg bestatten.
Nach dem Sieg der Gegenreformation am Anfang des 17.Jahrhunderts während der Zeit des österreichischen "Geheimprotestantismus" kamen auch die Evangelischen aus dem Land ob der Enns und sogar aus dem Goiserer Tal und der Gosau heimlich nach Ortenburg zum evangelischen Abendmahl. Andere fanden dort Zuflucht nach der erzwungenen Emigration. Noch heute erinnern die kunstgeschichtlich herausragenden Marmor-Epitaphien für Graf Joachim und seinen Sohn Anton in der Evangelischen Marktkirche Ortenburg und zahlreiche wertvolle Gedenktafeln in der St.-Laurentius-Kirche Steinkirchen an diese Zeit.
Erst nach dem Reichsdeputationshauptschluss, der sowohl das Territorium der Passauer Diözese als auch die freie Reichsgrafschaft Ortenburg bayerisch werden ließ, öffneten sich die Grenzen der bis dahin konfessionell geschlossenen Gebiete. Nun vermehrte sich die Zahl der evangelischen Bürger, zunächst in der Stadt Passau, später auch im Umland.
Am 6. April 1834 fand der erste evangelische Gottesdienst in Passau statt - und zwar ausgerechnet im Refektorium des ehemaligen Jesuitenkollegs, der Aula des heutigen Gymnasium Leopoldinum. 25 Jahre später, am 17. Juli 1859 konnte die neu erbaute evangelische Stadtpfarrkirche Passau an der Theresienstrasse eingeweiht werden, der erste evangelische Kirchenbau nach der Reformation. Seitdem versorgten zwei Pfarrer, der Ortenburger und der Passauer, das weite Gebiet zwischen Simbach am Inn, Eggenfelden im Rottal und Bodenmais im Bayer. Wald. 1896 wurde in Pfarrkirchen ein Vikar stationiert, 1913 die Kirche eingeweiht. Bereits1901 war durch die Initiative von 7 Evangelischen in Spiegelau eine Kirche erbaut worden. 1933 entstand die Kirchengemeinde Vilshofen und ein Jahr später die von Eggenfelden.
Einschneidende Veränderungen brachte die Kriegs- und Nachkriegszeit. Gab es im Bereich des heutigen Dekanats Passau Anfang 1945 erst 4395 Evangelische, wuchs ihre Zahl durch den Zustrom der Flüchtlinge vor allem aus Schlesien bis zum Ende des folgenden Jahres auf über 50.000. Nun gab es nicht nur in den Städten, sondern auch in vielen Dörfern Evangelische, wo man bislang noch nie einen Protestanten gesehen hatte. So wurde zum 1. November 1948 der Evang.-Luth. Dekanatsbezirk Passau errichtet. In den folgenden Jahren entstanden nach und nach neue Kirchengemeinden und Kirchenbauten. Freilich wanderten auch viele Flüchtlinge infolge der schlechten Arbeitsbedingungen wieder ab.
Jahrelang lebten in dem weiten Dekanatsbezirk Passau - territorial fast mit der röm.-katholischen Diözese Passau identisch - rund 23.000 Protestanten. Erst die letzten Jahre brachten durch den Ausbau des Bäderwesens im Raum Bad Füssing - Bad Griesbach - Bad Birnbach sowie infolge der Grenzöffnung nach Osten neue evangelische Zuwanderer ins östliche Niederbayern. Auch der Zustrom evangelischer Spätaussiedler aus Rumänien und vor allem Kasachstan hat einige Gemeinden deutlich wachsen lassen.
Das Evang.-Luth. Dekanat Passau umfasst im Jahr 2023 rund 26.000 evangelische Christen in 16 Kirchengemeinden.
 
Dekan i.R. Albert Strohm († 15. März 2016)