Ganz Europa ist die Beute

Diskussion im Evangelischen Zentrum
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„Correctiv auf Tour – Was passiert, wenn Hass regiert?“ im Evangelischen Zentrum Passau. MDL Toni Schuberl (li) und Journalist Marcus Bensmann (re) diskutieren mit dem Publikum über die Gefährdung unserer Demokratie durch Rechtsextreme, Rechtspopulisten, Trump und Putin. Moderiert wird das Gespräch von Bianca Dietz.

Gemeinsam mit dem Evangelischen Dekanat lud die Petra-Kelly-Stiftung am Mittwoch, 19. März zu einer Veranstaltung mit dem Investigativjournalisten Marcus Bensmann vom Recherchenetzwerk CORRECTIV ein. Unter dem Thema: „Correctiv auf Tour: Was passiert, wenn Hass regiert?“ informierte er über seine Recherchen zur extremen Rechten in Deutschland. Für die anschließende Diskussion kam der bayerische Landtagsabgeordnete Toni Schuberl (Bündnis 90/Die Grünen) hinzu.
Im vollbesetzten Gemeindesaal stand neben aktuellen Entwicklungen vor allem Bensmanns Buch „Niemand kann sagen, er hätte es nicht gewusst“ im Fokus. Darin schildert er die Pläne der AfD und anderer rechtsextremer Akteure und zeigt auf, welche Gefahren das für die Demokratie in Deutschland und Europa birgt. Doch der Abend ging über eine bloße Analyse hinaus – es wurde diskutiert, wie demokratische Kräfte darauf reagieren können und müssen.
Correctiv deckt auf – und ordnet ein
In seinem Vortrag ging Marcus Bensmann über die Enthüllungen zum Geheimtreffen in Potsdam hinaus. Er analysierte die ideologischen Muster, mit denen rechte Akteure versuchen, die liberale Demokratie zu untergraben. Er sprach von einer schleichenden, aber strategisch geplanten Aushöhlung demokratischer Werte – und formulierte drei zentrale „Bausteine der Brandmauer“, mit denen die Neue Rechte ihre Agenda in der Gesellschaft verankern will:
1.    Völkische Ideologie – Die Vorstellung eines ethnisch „reinen“, von äußeren Einflüssen bedrohten Volkes ist laut Bensmann zentral in der Argumentation rechtsextremer Vordenker wie Martin Sellner. Begriffe wie „Remigration“ erscheinen harmlos, meinen in Wahrheit aber eine millionenfache Vertreibung.
2.    Verächtlichmachung der Erinnerungskultur – Die gezielte Umkehrung der deutschen Erinnerungspolitik, oft als „180-Grad-Wende“ bezeichnet, ist ein Kernanliegen der Neuen Rechten.
3.    Kremlunterwerfung – Besonders gefährlich sei die Nähe rechter Akteure zu Putins Russland, so Bensmann. Allerdings gebe es innerhalb der AfD-Basis auch Widersprüche – nicht alle Mitglieder seien automatisch Putin-Anhänger. Umso wichtiger sei es, dass demokratische Parteien diese Verbindungen klar benennen und inhaltlich angreifen, anstatt der AfD zu überlassen, welche Themen gesetzt werden. Die Zusammenarbeit zwischen Trump und Putin sei eine reale Bedrohung für Europa. „Beide sehen uns als Beute.“ Die Reaktion darauf werde entscheidend sein.

Schuberl, Ditz, Bensmann, Wilde
Bildrechte Dekanat/Mauch

MDL Toni Schuberl, Moderatorin Bianca Dietz, Investigativjournalist Marcus Bensmann, Dekan Jochen Wilde

Migration: Debatte ja – aber faktenbasiert
Bensmann betonte, dass Migration ein wichtiges politisches Thema sei, das offen diskutiert werden müsse – aber auf Basis von Fakten und nicht durch Angstmache wie in den vergangenen Wochen geschehen. In den meisten Bereichen sei Migration langfristig eine Chance für Gesellschaft und Wirtschaft. Der Schlüssel liege in guter Bildung, sozialer Gerechtigkeit und einer funktionierenden Demokratie. Abschottung hingegen sei keine Lösung.
„Die liberale Demokratie muss wieder sexy werden“
Freiheit, Meinungsvielfalt und Rechtsstaatlichkeit gibt es nur in einer Demokratie. Doch um verteidigt zu werden, müsse sie wieder attraktiver werden. Demokratische Parteien müssen ihre Ideen konkret vermitteln, ihre Profile stärken und sich auf ihre Zielgruppen fokussieren statt nur aus der Abwehrhaltung gegen Rechts zu argumentieren.
Trotz der aktuellen Herausforderungen äußerte Bensmann aber auch vorsichtige Zuversicht: Wenn Europa sich der Gefahr durch eine mögliche Zusammenarbeit zwischen Trump und Putin bewusst wird und sich entschlossen dagegenstellt, könne es seine freiheitlichen Werte verteidigen.

Diskussion: Aufstehen, Widersprechen, Haltung zeigen
In der anschließenden Gesprächsrunde mit Toni Schuberl und dem Publikum ging es darum, wie jeder Einzelne gegen rechte Hetze aktiv werden kann. Schuberl betonte: „Manchmal reicht es schon zu sagen: Das finde ich nicht richtig.“ Oft fehle es nicht an Argumenten, sondern an Mut, rechtem Gedankengut zu widersprechen – sei es im Familienkreis, im Freundeskreis oder in der Öffentlichkeit.
Bensmann ergänzte, dass Demokratie keine Zuschauerveranstaltung sei: „Wir sind nicht einfach nur Passagiere, wir sind die Akteure.“
Am Ende stand die Erkenntnis, dass die Demokratie nicht von selbst bestehen bleibt – sie muss aktiv verteidigt werden.
Text: Bianca Dietz, Fotos: Hubert Mauch

Hier der LInk zum Fernsehbericht von NiederbayernTV: Correctiv auf Tour – Gesprächsabend mit Correctiv-Autor Markus Bensmann und Toni Schuberl im Evangelischen Zentrum Passau | Niederbayern TV Passau