Evangelische Schüler*innen des Gymnasium Leopoldinum Passau in Erfurt unterwegs
Am 2. Mai waren sie dabei, die 14 evangelischen Schüler*innen der 8. und 9. Klassen, vom Leo beim ökumenischen Friedensgebet in der Erfurter St. Lorenz-Kirche. Schon seit 1978 treffen sich dort immer donnerstags um 17 Uhr Menschen, um unter dem biblischen Motto “Schwerter zu Pflugscharen” für Abrüstung und die Bewahrung der Schöpfung zu beten. 1989 gingen aus diesen Friedensgebeten die gewaltfreien Demonstrationen hervor, die zur „Friedlichen Revolution“ und letztendlich zur Wiedervereinigung Deutschlands führten. Orte, an denen sich evangelische Widerstandsgruppen zu DDR-Zeiten heimlich trafen, standen ebenso auf dem Programm der Studienfahrt wie der Gedenkort „Andreasstraße“, wo sich die Bezirksverwaltung für Staatssicherheit und das Untersuchungsgefängnis für Dissidenten befand – heute ein modernes, multimedial gestaltetes Museum.
In diesem Zellentrakt im ehemaligen Stasi-Gefängnis in der Andreasstraße in Erfurt wurden Dissidenten eingesperrt.
Es war sehr interessant, wenn auch nicht „unanstrengend“, in 48 Stunden die gesamte Geschichte des Judentums in Erfurt zu sehen, mit allen Sinnen zu begreifen und zu erlaufen! Erschreckend war für die Schüler*innen, wie oft Jüd*innen verfolgt wurden. Immer wieder wurde alles zerstört – und immer wieder haben sie alles wieder aufgebaut. Angefangen von der Alten Synagoge, die zweckentfremdet wurde, über den Alten Jüdischen Friedhof, der wie der Neue immer wieder geschändet wurde, über die Große Synagoge, die 1884 fertiggestellt und in der Reichspogromnacht von den Nazis niedergebrannt wurde, bis hin zu den Brandanschlägen auf die Neue Synagoge im Jahr 2000 und zuletzt im November 2023. Die Spuren der Alten Synagoge, die seit kurzem zum UNESCO Weltkulturerbe gehört, reichen zurück bis ins 11. Jahrhundert. Nach Pogromen im Mittelalter geriet sie völlig in Vergessenheit und wurde erst 1990 wiederentdeckt, ebenso wie 1998 der „Erfurter Schatz” mit mehr als 3000 Schmuckstücken - Highlight ist der kunstvoll gestaltete jüdische „Hochzeitsring“.
Die Mikwe aus dem Mittelalter wurde 2007 wiederentdeckt und gehört seit 2023 zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Gleich zwei Mikwen (rituelle Tauchbäder) gab’s zu sehen: die mittelalterliche und die in der Kleinen Synagoge. Die Kleine Synagoge wurde im 19. Jahrhundert nur für 44 Jahre genutzt und dann von der Stadt gekauft, wodurch sie in der NS-Zeit nicht beschädigt wurde. Fragen zur Kleinen Synagoge konnten an die „Sag mal…“-Fragewand geschrieben werden.
Beim Besuch der Neuen Synagoge mussten sich die Jungen eine Kipa aufsetzen und dann ging es auch schon los. Eine ältere Dame erzählte aus ihrem eigenen Leben und dem ihres Vaters als Juden in Zeiten des Zweiten Weltkriegs, der DDR und der Gegenwart. Zentraler Punkt der Schüler-Fragen war der Antisemitismus, sodass die Schülergruppe die Synagoge zwar nachdenklich, aber trotzdem begeistert verließ.
Die Blume im Glasfenster des Augustinerklosters diente als Vorlage für die spätere Lutherrose.
Auf den Spuren Martin Luthers besuchten sie zusammen mit ihrer Religionslehrerin Antje Spielberger natürlich auch das Augustinerkloster, in das der spätere Reformator 1505 eingetreten war. Eine Blume im Glasfenster der Augustinerkirche war die Inspiration für die spätere “Lutherrose”. Die noch erhaltene „Lutherzelle“ vermittelte einen anschaulichen Einblick in sein sehr karges und hartes Leben als Mönch.
„Als ich die Dauerausstellung am Gedenkort „Topf & Söhne – die Ofenbauer von Auschwitz“ sah, so eine der Schülerinnen, „war ich entsetzt und schockiert, wie Menschen so handeln konnten, wie z.B. ein Mitarbeiter, der fragte 'Kinder, wen verbrennen wir als Nächstes?“.
Die dortige Sonderausstellung “Miriams Tagebuch” gab anhand der Tagebucheinträge einen Einblick in den Alltag eines ganz normalen Mädchens und eben nicht nur einer “Jüdin”, die ihre Kindheit und Jugend in Erfurt verbracht hatte. Und doch wurde sie in der NS-Zeit anders behandelt, nur weil sie Jüdin war. Auch die Kinder wurden nicht verschont! Miriam konnte damals nach Palästina fliehen, musste aber ihre Eltern zurücklassen.
Die Schüler*innen bedanken sich beim Evangelisch-lutherischen Dekanat Passau für den „Zuschuss“ zu dieser „einmaligen“, sehr spannenden und lehrreichen Reise und empfehlen, selbst mal nach Erfurt zu fahren.
Text und Fotos: Schüler*innen