Die Dekanatssynode tagte in den Räumen der Evangelischen Realschule Ortenburg zum Thema Reformprozesse. Pfarrer Dr. Steffen Bauer, Experte in Sachen Reformprozesse in der evangelischen Kirche, zieht mit seinen Beispielen gelungener neuer Projekte die Dekanatssynode in den Bann.
Ortenburg. Immer wieder erzählt Steffen Bauer von seiner 89jährigen Mutter. Sie ist eine typische Vertreterin einer evangelischen Kerngemeinde im badischen Mannheim. Im hohen Alter noch aktiv, leitet den immer stärker schrumpfenden Frauenkreis, geht jeden Sonntag treu in ihre Kirche. Und dann gibt es da noch eine ganz andere Kirche, die durch die Aktion „einfach segnen“ der bayerischen Landeskirche deutlich wird. Da sind Menschen an ungewöhnlichen Orten bis spät in die Nacht Schlange gestanden um an einem Werktag spontan zu heiraten. Die evangelische Kirche ist in Bewegung.
Neue ungewohnte Formate kommen an und erreichen Menschen, denen ihre Kirche fremd geworden ist, machte Pfarrer Dr. Steffen Bauer in seinem Vortrag bei der am Samstag, 13. April in den Räumen der Evangelischen Realschule Ortenburg stattgefundenen Dekanatssynode deutlich. Sein Thema: „Die Herausforderungen angehen. Veränderungen in unserer Kirche sind möglich und nötig.“. Bauer ist der Leiter der Ehrenamtsakademie der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und ein profunder Kenner der Reformprozesse, die derzeit in den evangelischen Kirchen in Deutschland in Gang gebracht werden. Rund 30 gewählte Vertreter aus den 16 Kirchengemeinden des evangelischen Dekanatsbezirks von Gangkofen bis Freyung hörten dem Referenten gespannt zu. Unter ihnen als Gast auch Diözesanratsvorsitzender Markus Biber, der in seinem Grußwort empfahl auch in schwierigen Zeiten frohgemut nach vorne zu schauen und auf gemeinsame Projekte wie den ökumenischen Zwischenruf zu den anstehenden Wahlen hinwies.
Es sei ein Spagat zwischen den meist älteren Menschen in der Gemeinde, die möchten, dass alles so bleibt wie es ist und einer Mehrheit, die Kirche verändert sehen wollen, so Referent Steffen Bauer. Es gingen immer weniger aus Tradition und Plicht in Gottesdienst und Kirche und immer mehr fragten sich schlicht: Was bringt mir das? Sie verstünden und erlebten „Gemeinschaft“ unterschiedlich, auch im Zuge der Digitalisierung unseres Lebens. Das Bindungsverhalten habe sich dramatisch verändert und wird sich weiter verändern. Das merkten Vereine und Feuerwehren genauso wie die Kirchen. Alle stünden vor der Notwendigkeit der Veränderung. „Nur wenn wir selber wahrnehmen, wie sich die Gesellschaft verändert und wir uns dahin verändern, werden wir die Menschen erreichen“.
In Kleingruppen diskutieren in der Turnhalle der Evangelischen Realschule Ortenburg die Synodalen über die Notwendigkeit der Veränderungen von und in Kirche.
Pfarrer Bauer empfahl neue Projekte auszuprobieren um Menschen mit Religion und Kirche in Berührung zu bringen und zeigte in einem anekdotenreichen und lebendigen Vortrag den Dekanatssynodalen zahlreiche Möglichkeiten überraschend erfolgreicher Veränderungen auf. „Dafür gehen wir auf die Straße und räumen auch mal eine Kirche aus. Und warten gespannt auf die Resonanz.“ Es gäbe noch viel in unserer Kirche zu entdecken. Die Stichworte für eine Kirche der Zukunft seien Teamarbeit, Stärkung der ehrenamtlichen Verkündigung, Kooperation, Verwaltung in Profihände abgeben, mehr strategische Arbeit im Kirchenvorstand, unterschiedliche Entwicklungen zulassen, zuhören. „Einfach machen“ ist sein Credo, aber auch „machen lassen“ und „ausprobieren“. Er beendet seinen Vortrag mit der Aussage: “Wenn wir als Organisation ’Kirche‘ bereit sind, uns zu verändern, dann machen wir erstaunliche Erfahrungen und erleben Resonanzen, die ich ausdrücklich als geistige Erlebnisse wahrnehme.“
Im zweiten Teil der Dekanatssynode berichtete Schulreferent Oliver Weindel über sein Arbeitsfeld und die organisatorischen Herausforderungen Religionsunterricht an 250 Schulen zu gewährleisten. Ein immer dringlicher werdendes Problem sei dabei der fehlende Nachwuchs an Katechet*innen.
Die schwierige Lage des Diakonischen Werkes Passau war das Thema von Vorständin Sabine Aschenbrenner. Seit Anfang November sei die Diakonie im Verfahren der Selbstinsolvenz, dessen Ziel es sei die soziale Einrichtung mit seinen Beratungsangeboten vor Ort zu halten. Dazu werde das Diakonische Werk mit Hilfe externer Beratung umstrukturiert. Positiv sei die hohe Motivation der Mitarbeiter.
Dekan Jochen Wilde stellt seinen Bericht zur Diskussion.
Die ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt war ein Schwerpunktthema des Berichts von Dekan Jochen Wilde, den er zur Diskussion stellte. Er machte darin deutlich, dass das Thema „Aktiv gegen Missbrauch“ höchste Priorität habe. Das Dekanat beschäftige sich intensiv mit diesem Thema auf allen Ebenen. Dekan Wilde bat die Kirchengemeinden umgehend eine Schutzkonzept einschließlich Risiko und Gefahrenanalyse bis zum Sommer zu erstellen. Ein Vorhaben des Synodalen Rainer Sebastian aus der Kirchengemeinde Vilshofen stößt in dieselbe Richtung. Am Ende der Tagung kündigte er für die Herbstversammlung der Dekanatssynode am 11./12. Oktober einen Antrag zum Thema Missbrauch an. Mit Gebet und Reisesegen verabschiedete Dekan Jochen Wilde die Synodalen. Text und Fotos: Hubert Mauch