„Nur mit anpacken, unterhaken und Zusammenhalt ist Veränderung und Wandel möglich.“ Katharina Schulze hält Kanzelrede in der vollbesetzten Stadtpfarrkirche Passau St. Matthäus. Die Regensburger Musikerin Ronja Künstler begleitet die Veranstaltung mit Protestliedern.
Es war schon ein bisschen wie vorgezogene Weihnachten, über 400 Menschen waren in die Stadtpfarrkirche gekommen um die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag, Katharina Schulze zu erleben. Dekan Jochen Wilde hatte die Politikerin schon Anfang des Jahres zu einer Kanzelrede eingeladen. „Da sah die Welt noch ganz anders aus“ sagte er zu ihrer Begrüßung. Passau hatte gerade „die größte Demo ever“ für Demokratie und Vielfalt erlebt, die USA hatten noch nicht „einen Rassisten und Sexisten, einen notorischen Lügner und verurteilten Straftäter“ zum kommenden Präsidenten gewählt und es konnte noch niemand wissen, „dass wir heute am Anfang eines vermutlich heftigen Wahlkampfes stehen“. Das „Gute“, das die meisten Menschen wollten, sei im politischen Alltag wohl schwierig umzusetzen, stellte Dekan Wilde weiter fest und gab der Gastrednerin Schulze Fragen wie „Ist es ein Grundproblem unseres parlamentarischen Systems? Stößt unsere Demokratie da an Grenzen?“ mit auf den Weg zur Kanzel der Stadtpfarrkirche.
Großer Andrang in der Stadtpfarrkirche. Viele waren gekommen um Katharina Schulze zu hören. Flankiert von Gastgeber Dekan Jochen Wilde (li) und Dr. Carsten Lenk (re), der die anschließende Diskussion moderierte, lauschen sie den Liedern von Ronja Künstler.
„Das Gute schaffen. Wie Wandel miteinander gelingen kann!?“ war das Thema der Kanzelrede und Katharina Schulze bekennt gleich zu Anfang eine radikale Optimistin zu sein. „Du bekommst die Welt nicht besser gemeckert, du must sie besser machen“ zitiert sie ihren Vater. Sie bedauerte, dass die Politik zu wenig rational sei, angesichts der komplexen Probleme die zu lösen seien. „Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem.“ Wir spüren jetzt schon die Auswirkungen der Klimaveränderungen in Form von Hitzewellen, Dürren und Überschwemmungen und “wenn wir so weitermachen, kommen wir auf 3,1 Grad Klimaerwärmung“. Aber auch die politische Lage in Europa und die US-Wahl nennt sie in diesem Zusammenhang. Als verantwortungslos bezeichnete sie das Verhalten von FDP-Chef Christian Lindners am Tag von Trump’s Sieg die Ampel platzen zu lassen. Schulze forderte in diesen Zeiten einen Schulterschluss der Demokraten gegen Extremisten von rechts und links, auch gegen Islamisten, die unsere freiheitliche Demokratie zerstören wollten.
Ronja Künstler mit ihrer Gitarre und ihren berührenden Liedern zum Nachdenken in der Stadtpfarrkirche.
Um den guten Wandel zu schaffen, müssten drei Punkte beachtet werden: Unser Wertefundament, die Grundbedürfnisse eines Menschen und die Attraktivität der Veränderungen.
Als unser gemeinsames Wertefundament bezeichnete die Grünenpolitikerin das Grundgesetz. „Die Idee des Grundgesetzes ist ein wenig verloren gegangen“ und müsse wieder gestärkt und mit Leben gefüllt werden. Demokratie sollte von uns nicht nur konsumiert, sondern auch aktiv vertreten werden. Sie forderte dazu auf sich nicht an Hass und Hetze zu beteiligen. Anstand und Respekt gehörten zu unseren Werten.
Grundbedürfnisse des Menschen wie physische und soziale Sicherheit, bezahlbarer Wohnraum, genug zu essen, eine verlässliche Bahn, standhafte Brücken, gute Schulen - eine funktionierende Infrastruktur seien essentiell. In solche Dinge wurde in den vergangenen Jahrzehnten leider zu wenig investiert. Deshalb forderte sie die Schuldenbremse reformieren und für Investitionen zu lockern. Der Staat könne sich nicht gesund sparen, der Staat müsse funktionieren
Die notwendigen Veränderungen müssen nach Ansicht von Katharina Schulze auch attraktiv gemacht werden, damit der Umstieg den Menschen leichter falle. Dazu gehöre zum Beispiel der Ausbau des ÖPNV, die Einführung einer Mobilitätsgarantie mit einstündiger Anbindung in ganz Bayern, aber auch attraktive Zugverbindungen zwischen den europäischen Städten.
Um das „Gute“ zu schaffen seien wir im Ansatz schon auf dem richtigen Pfad, so Schulze und kritisierte die vielen Nörgler, Schlechtreder und Hasser, die den eigentlich schon guten Weg und das Erreichte über die sozialen Medien madig machten. Deshalb sei es wichtig über das Gute und das Geschaffte positiv und selbstbewusst zu reden, im Familienkreis, in der Nachbarschaft, im Bekanntenkreis. Den Anwesenden in der Stadtpfarrkirche empfahl sie sich in der Gesellschaft einzubringen, im Viertel, in der Gemeinde, der Stadt, auf Bundesebene und auch in Europa. Jeder nach seinen Möglichkeiten, damit Veränderung gelingt. Am Ende ihrer Kanzelrede lud Politikerin dazu ein, die Welt gemeinsam besser zu machen.
Die Kanzelrede fand im Rahmen der Wochen zur Demokratie statt. Katharina Schulze (Mitte) im Gespräch mit Dr. Carsten Lenk (li) im Evangelischen Zentrum
Bei der anschließenden Diskussion im benachbarten Evangelischen Zentrum moderiert von Dr. Carsten Lenk, Geschäftsführer der Evangelischen Bildung in Ostbayern, räumte Katharina Schulze ein, dass ihre Partei dem Populismus und den Lügen im Netz bisher zu wenig entgegengesetzt habe. „Wir müssen uns stärker wehren“ und das auch gegen eine vom Ausland finanzierte Lügen- und Fake News-Maschinerie.
Die AfD bezeichnete sie als eine massive Gefahr für die Demokratie und sprach sich für die Prüfung eines Verbots dieser Partei aus. Außerdem wünscht sie sich Orte, wo die Menschen wieder miteinander reden. Das könne am Stammtisch sein oder in der Kirche.
Die Kanzelrede wurde aufgezeichnet und kann auf YouTube https://youtu.be/JvpOtM2NvR0 nachgesehen werden.
Text und Fotos: Hubert Mauch