Der Blick von unten

Bonhoeffer-Vortrag im Evangelischen Zentrum
Bildrechte Dekanat/Mauch

Dekan Jochen Wilde (li) moderiert die Gesprächsrunde mit dem ehemaligen bayerischen Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm (re) im Evangelischen Zentrum. Im Hintergrund ist Bonhoeffers Glaubensbekenntnis zu sehen.
Mit einem Vortrag von Landesbischof i.R. Heinrich Bedford-Strohm zum Auftakt einer Dietrich-Bonhoeffer-Veranstaltungsreihe startete am Donnerstag, 13. März das Dekanat Passau im Evangelischen Zentrum in das Bonhoeffer-Jahr 2025. Am 9. April jährt sich der 80. Jahrestag der Ermordung des Theologen und Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer im KZ Flossenbürg. Bis Juli finden in den Kirchengemeinden des Dekanatsbezirks zahlreiche Vorträge, Gottesdienste, Kunstaktionen und Ausstellungen zu Bonhoeffers Leben und Theologie statt.
Die Ermordung Bonhoeffers wollen wir zum Anlass nehmen weniger zurückzuschauen, sondern uns nach dem Erbe Bonhoeffers für die Kirche und die Christen, sowie nach seiner Inspiration zu fragen, betonte Dekan Jochen Wilde bei seiner Begrüßung der rund 80 Zuhörer*innen im Saal des Evangelischen Zentrums am Dietrich-Bonhoeffer-Platz 1. Mit Altbischof Heinrich Bedford-Strohm und jetzigen Vorsitzenden des Weltkirchenrats habe das Dekanat nicht nur einen der besten Bonhoeffer-Kenner gewinnen können, sondern auch einen Kirchenmann, „der sich auch in seinem Handeln und in seiner Verantwortung stark an Dietrich Bonhoeffer orientiert hat“. Sein Thema: „Beten, Tun des Gerechten und Warten auf Gottes Zeit…“.
„Überall auf der Welt bekommen Menschen glänzende Augen, wenn sie den Namen Bonhoeffer hören“, sagte Heinrich Bedford-Strohm zu Beginn seines Vortrags. Bonhoeffer sei der weltweit meistgelesene deutsche Theologe, der in Schönberg nur 38 Kilometer von Passau entfernt, seine letzten Tage verbrachte und in den letzten Kriegstagen auf persönlichen Befehl Hitlers im KZ Flossenbürg erhängt wurde. Weit über die Kirche hinaus beeindrucken Bonhoeffers klare „Orientierungen für gesellschaftliches und politisches Engagement und ihre Relevanz für heute.“

Altbischof Henrich Bedford-Strohm
Bildrechte Dekanat/Mauch

Altbischof Heinrich Bedford-Strohm ist ein leidenschaftlicher Diskutant und liebt den Widerspruch.

Immer wieder werde versucht, das Denken Bonhoeffers für politische Interessen zu missbrauchen. Aktuell versuchten dies „christliche Nationalisten“ in den USA. So werde Ex-Präsident Joe Biden mit Hitler verglichen und die gewalttätigen Capitol-Erstürmer mit dem Widerstand um Bonhoeffer im Dritten Reich gleichgesetzt. „Das ist eine komplette Verkehrung“ so Bedford-Strohm. Deshalb habe er mit deutschen und amerikanischen Bonhoeffer-Forschern eine Erklärung gegen den Missbrauch Bonhoeffers verfasst. Diese Erklärung haben auch rund 80 Nachkommen Bonhoeffers mitunterzeichnet.
Bonhoeffer war ein Überflieger, der mit 21 Jahren promovierte und sich mit 25 Jahren habilitierte. Prägende Impulse erhielt er 1930 in seinem Studienjahr am Union Theological Seminary in New York. In dieser Zeit lernte er die Welt der schwarzamerikanischen Christen in Harlem kennen, die seinen „Blick von unten“ schärfte und in sein ethisch-theologisches Denken und Handeln einfloss. Sein „christozentrischer Ethik-Ansatz“ ziehe sich wie ein roter Faden durch seine gesamte Theologie, so Bedford-Strohm. Der Schlüssel dazu sei sein schwer zu fassendes Wirklichkeitsverständnis, basierend auf der Versöhnungstheologie des Paulus.
Artikel 1 unseres Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ sei die weltliche Version von dem was Bonhoeffer sage. Nach Bonhoeffer gehe es gar nicht, dass sich Christen ins Privatleben zurückzögen. „Wer fromm ist, muss auch politisch sein.“ Auch die Frage der sozialen Gerechtigkeit sei für ihn immer wichtiger geworden. Christen ließen sich vom Schicksal der Armen anrühren und stellten sich auf die Seite der Schwachen. Trotz der Abgründe seiner Zeit, sei Bonhoeffers Theologie eine Theologie der Hoffnung. Das deutlichste Zeugnis dafür sei sein Glaubensbekenntnis von 1943. Es gehört zu den meist zitiertesten Texten Bonhoeffers. „Vielleicht ist das der wichtigste Impuls den Bonhoeffer uns heute in dieser in so vieler Hinsicht verrückten Zeit geben kann. Diese Hoffnung neu zu entdecken und wie Bonhoeffer sagt, hemmungslos und grenzenlos hoffen zu lernen.“
Bei einer anschließenden Gesprächsrunde wurde noch intensiv über Bonhoeffer und theologische Fragen diskutiert.
Mit dem Abendgebet Dietrich Bonhoeffers aus dem Gefängnis beendete Dekan Jochen Wilde die Veranstaltung.
Text und Foto: Hubert Mauch

Den vollständigen Vortrag finden Sie hier: