Lesung mit Ernst Grube und Hannah Brinkmann aus ihrer Graphic Novel „Zeit heilt keine Wunden“ im Evangelischen Zentrum. Eingeladen hatten am Dienstag, 8. April die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, die Evangelische Bildung in Ostbayern e.V., Bücher Pustet und das Evangelische Dekanat Passau. Mit den Besuchern diskutieren (v.l.n.r.) Hannah Brinkmann, Lea Dahms, Ernst Grube und Dekan Jochen Wilde.
Ernst Grube aus Regensburg ist einer der letzten Zeitzeugen und KZ-Überlebenden. Wenige Wochen nach seiner Geburt übernehmen die Nationalsozialisten die Macht in Deutschland. Nach den Nürnberger Rassegesetzen wird er als „Mischling ersten Grades“ eingestuft und erlebt in München eine Kindheit zweiter Klasse mit Ausgrenzung, Diffamierung, Willkür, Gewalt und Hunger. „Das Leben wurde zur Hölle“. Zusammen mit seiner Mutter und den Geschwistern wird der Zwölfjährige mit einem der letzten Transporte ins KZ Theresienstadt deportiert und dort von der Roten Armee befreit. Nach dem Krieg engagiert sich Grube in der kommunistischen Bewegung. Er wird verhaftet und 1959 von einem ehemaligen NS-Richter und Kriegsverbrecher wegen seiner politischen Aktivitäten unverhältnismäßig hart mit Gefängnis und Berufsverbot bestraft.
Die Berliner Autorin und Zeichnerin Hannah Brinkmann hat aus der Lebensgeschichte des Ernst Grube ein Buch gemacht. In ihrer Graphic Novel „Zeit heilt keine Wunden“, die kürzlich im Avant-Verlag erschienen ist, zeichnet die mehrfach prämierte Autorin, die verwobenen Lebenslinien von Grube und dem NS-Richter Kurt Weber sehr gekonnt nach. Vorausgegangen waren intensive Recherchen und viele Gespräche mit Ernst Grube und seiner Frau Helga Hanusa. Drei Jahre lang schrieb und zeichnete Brinkmann an dem Comic-Buch.
Die Autorin Hannah Brinkmann signiert die Graphic Novel mit einer Zeichnung.
Wie das Buch ist auch die Lesung dreigeteilt. Die rund 50 Besucher sind mucksmäuschen still. Im ersten Teil schildert die Autorin Grubes Kindheit in der Münchener Innenstadt, unweit der alten Synagoge und im Kinderheim. Im zweiten Teil geht es um den Aufstieg des Juristen Kurt Weber zum NS-Staatsanwalt und Richter. Die politische Verfolgung Grubes in der jungen Bundesrepublik wird im dritten Teil dargestellt. Hier kreuzen sich auch die Wege der beiden.
Die Zeit danach war für Grube besonders wichtig, erzählte Hannah Brinkmann in der anschließenden Diskussion, die von Lea Dahms von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und Dekan Jochen Wilde moderiert wurde. Der 92-jährige Grube hofft, dass das Buch hilft, den aktuellen Trend zum Rechtsradikalismus zu bremsen. Zeichnungen seien ein besonders gutes Mittel, um Gefühle und Prozesse zu vermitteln, sagte Brinkmann. Damit erreiche man junge und ältere Leser gleichermaßen. Die bildliche Darstellung von Theresienstadt sei eine Herausforderung gewesen, um nicht auf die beschönigenden NS-Propagandabilder hereinzufallen, die noch immer in den Köpfen existierten.
Immer wieder erzählt Grube auch vor Schulklassen aus seinem Leben. Anfeindungen habe er dabei noch keine erlebt, aber es sei schwierig, die Jugendlichen ins Gespräch zu bringen, weil sie zu Hause am Kaffeetisch etwas anderes zu hören bekämen. Deshalb sei es wichtig nicht nur die Jungen aufzuklären, sondern auch deren Eltern mit der NS-Geschichte vertraut zu machen. Er hoffe, dass sich die vielen Hunderttausende, die im vergangenen Jahr gegen den Rechtsextremismus und die AfD auf die Straße gegangen seien, sich auch in ihrem engeren Umfeld gegen Ausgrenzung positionierten. Früher wie heute sei Ausgrenzung und die Verbreitung von Hass nichts anderes als Schwäche. Auch das mache die Graphic Novel „Zeit heilt keine Wunden“ auch deutlich, so die Autorin.
Die sehr lesenswerte und berührende Graphic Novel „Zeit heilt keine Wunden“ von Hannah Brinkmann und Ernst Grube kostet 30 Euro und ist erschienen im Avant-Verlag.
Text und Fotos Hubert Mauch