Nicht mehr notwendig, aber brauchbar

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Kanzelrede von Professor Detlef Pollack (Mitte) in der Passauer Stadtpfarrkirche. Er machte den Auftakt für ein neues Angebot in der Stadtpfarrkirche. Dekan Jochen Wilde (li) hatte Deutschlands bekanntesten Religionssoziologen dafür gewinnen können. Rechts im Bild Dr. Carsten Lenk, Geschäftsführer der Evangelischen Bildung in Ostbayern. Er moderierte im Anschluss die Diskussion im Evangelischen Zentrum.

Mit dem Religionssoziologen Detlef Pollack startete am Sonntag, 4. Februar die evangelische Gemeinde Passau St. Matthäus die neue Reihe der „Kanzelrede“. Sein Thema: „Ok. Danke. Tschüss:  Haben Kirche und Religion in Deutschland noch eine Chance?“. Bundesweit bekannt wurde Professor Pollack durch seine maßgebende Mitarbeit an der inzwischen sechsten Kirchenmitgliederuntersuchung der Kirchen in Deutschland, die zum ersten Mal auch die katholische Kirche miteinbezog. Musikalisch begleitet wurde die Kanzelrede von sanften Jazzklängen des Duos „Sax’n‘Pi“ mit Kirchenmusikdirektor Ralf Albert Franz am Piano und Peter Tilch am Saxophon.
Eine Kanzelrede sei kein Gottesdienst, so begrüßte Dekan Jochen Wilde die Rund 60 Besucher in der Stadtpfarrkirche, und so gab es außer einem Segenswort am Ende der Veranstaltung auch keine gottesdienstähnlichen Elemente. „Wir holen die Welt in die Kirche“. Bei der Kanzelrede werden Menschen aus Kultur, Politik, Wissenschaft und Wirtschaft, also Menschen die was zu sagen haben, zu Wort kommen, stellte Dekan Wilde das Konzept vor. Er erwarte Anstöße, auch Provokatives, das vielleicht auch eine Veränderung bewirken könne.

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Es war nicht die erste Kanzelrede die Detlef Pollack hielt. Der vor einem dreiviertel Jahr emeritierte Professor ist ein gefragter Redner und war zu Gast in der Passauer Stadtpfarrkirche.

Pollacks religionssoziologischen Forschungen kamen zu dem Ergebnis, dass die Kirchen in den letzten Jahren und Jahrzehnten viel an Vertrauen verloren haben. Das Vertrauen in die katholische Kirche liege nur noch bei 9 Prozent der Deutschen, bei der evangelischen sei der Anteil bei 24 Prozent. Vor 40 Jahren lagen die Zahlen noch bei 40 und 50 Prozent. Selbst Katholiken vertrauten der evangelischen Kirche mehr wie ihrer eigenen.
Neben der Kirchenkrise, haben wir auch eine Glaubenskrise, so Pollack. Der Rückgang der Kirchenbindung habe viel mit Glaubensverlust zu tun. Der Gottesglaube sei von einst 90 auf 50 Prozent zurück gegangen, ebenso das Bedürfnis nach Religiosität. Die Menschen suchten spirituelle Erfahrungen eben nicht vermehrt in Natur, Esoterik oder New Age, wie manche glaubten.
Die Kirche sei nicht Herr ihres Schicksals. Die Schwächung der Kirchen- und Glaubensbindung können von der Kirche kaum beeinflusst werden, sagt Professor Pollack. Die Kirchenaustrittszahlen wurden bestimmt durch den Wertewandel am Ende der 60ger Jahre, die Veränderungen der Wiedervereinigung und die Missbrauchsfälle.
Die Zukunft der Kirche entscheide sich vor allem in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Die kirchlich-religiöse Sozialisation sei das Entscheidende. Ein weiterer wichtiger Punkt sei die Seelsorge, die Menschen zu begleiten und ihnen nahe zu sein. „Sie wollen ernstgenommen und nicht von oben herab belehrt werden“. Die Kirche habe mit ihren Werten Fairness, Solidarität und Gewaltlosigkeit unsere Gesellschaft geprägt. Sie befördere das Vertrauen untereinander, positive Lebenseinstellungen, ehrenamtliches Engagement und die Achtung vor dem anderen. Die Kirche sei in der Wahrnehmung der Menschen zwar nicht mehr notwendig, aber brauchbar.

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Unter der Leitung von Dr. Carsten Lenk, Geschäftsführer der Evangelischen Bildung in Ostbayern wurden die Thesen der Kanzelrede im Saal des Evangelischen Zentrums noch ausgiebig bei Kaffee und Kuchen diskutiert.