Handwerk und Kirche zu Gast in Passau

Handwerk und Kirche in Passau
Bildrechte Angela Haubrich

Handwerksbetriebe informieren die Teilnehmer*innen der Bundestagung Handwerk und Kirche der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). v.l.n.r.: Thomas Hierbeck (Schreinerei Hierbeck, Schöllnach), Anna-Lena Nissen (Raumausstatter-Meisterbetrieb Sprungfeder, Hamburg), Harald Kneidinger (Naturstein Kneidinger, Hauzenberg), David Pilger (Genießerbäckerei Pilger, Breitenberg)

Die Bundestagung Handwerk und Kirche 2024 der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) fand vom 15. bis 17. November in der historischen Dreiflüssestadt Passau statt. Unter dem Titel „Grenzerfahrung Handwerk“ wurde die Tagung in Kooperation mit der Handwerkskammer Niederbayern und Oberpfalz ausgerichtet. Die Veranstaltung brachte Handwerkerinnen und Handwerker, Vertreterinnen und Vertreter der Kirche und weitere Interessierte zusammen, um sich über die Schnittstellen von Glauben, Gesellschaft und handwerklicher Praxis auszutauschen.
Wie Peter Lysy, Leiter des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt Bayern, in seinem Grußwort am Samstagabend betonte, gibt es zahlreiche Verbindungen zwischen Handwerk und Kirche – vom Segen für die Walz bis hin zu Gottesdiensten in Betrieben. Diese Begegnungen und Projekte wie die Aktion „5000 Brote – Konfis backen Brot für die Welt“ verdeutlichen die enge Zusammenarbeit der beiden Bereiche.
Mit einem vielfältigen Programm an Fachvorträgen, Betriebsbesichtigungen und Andachten bot die mehrtägige Tagung Gelegenheit, die Rolle des Handwerks in Grenzregionen zu reflektieren und neue Impulse für die Zusammenarbeit von Handwerk und Kirche zu gewinnen.

Tag 1: Auftakt und Erfahrungsberichte
Die Veranstaltung begann am Freitag, dem 15. November, mit einem herzlichen Empfang in den Räumlichkeiten der Handwerkskammer Niederbayern und Oberpfalz. Nach einem kleinen Mittagsimbiss begrüßten Jürgen Kilger, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, und Dieter Vierlbeck, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Handwerk und Kirche, die Teilnehmenden offiziell und eröffneten die Tagung.
Der anschließende Fachtag widmete sich dem Thema „Handwerksbetriebe in einer Grenzregion erfolgreich entwickeln“. Andreas Keller, Bereichsleiter der Handwerkskammer, leitete die Diskussion mit einem Überblick über die besonderen Herausforderungen und Chancen von Handwerksbetrieben in Grenzregionen ein.

Handwerk und Kirche diskutieren
Bildrechte Angela Haubrich

v.l.n.r.: Peter Grohme, Thomas Hierbeck, Anna-Lena Nissen, Dieter Vierlbeck, Harald Kneidinger, David Pilger, Meike Lotze-Franke 


Den Höhepunkt des Nachmittags bildeten vier Erlebnisberichte von Unternehmern und Unternehmerinnen, die ihre persönlichen „Grenzerfahrungen“ teilten:
•    Harald Kneidinger (Naturstein Kneidinger, Hauzenberg) sprach über die Bedeutung von Tradition und Innovation in seinem Betrieb. Er betonte, dass er weltweit tätig ist und teilte mit uns in seinem Erfahrungsbericht die Herausforderungen, denen er dabei begegnete.  https://naturstein-kneidinger.de/
•    David Pilger von der Genießerbäckerei Pilger präsentierte seine Strategie, regionale Qualität mit unternehmerischem Wachstum zu verbinden. Er teilte seine Leidenschaft für hochwertige Rohstoffe und betonte, dass er in seinem Handeln eine Verantwortung für die Gesundheit der Verbraucher empfindet. https://www.baeckerei-pilger.de/
•    Thomas Hierbeck (Schreinerei Hierbeck) schilderte, wie er durch Nachhaltigkeit und kreative Lösungen seinen Betrieb stärkte. Seit fünf Generationen ist die Familie dem Handwerk verbunden.
https://hierbeck.de/
•    Anna-Lena Nissen (Raumausstatter-Meisterbetrieb Sprungfeder) berichtete über Herausforderungen und Erfolge als junge Unternehmerin und die damit verbundenen eigenen Grenzen, die sie sich immer wieder neu setzte. https://www.sprungfeder.eu/
Nach einem regen Austausch während der moderierten Diskussion, die von Meike Lotze-Franke und Peter Grohme geleitet wurde, klang der Abend bei einem gemeinsamen Essen und Begegnungen mit dem lokalen Handwerk aus. 

Tag 2: Handwerk und Kirche in Bewegung
Der zweite Tag begann mit einem faszinierenden Einblick in ein traditionsreiches Handwerk. Nach einem morgendlichen Spaziergang erreichten die Teilnehmenden die Glockengießerei Perner GmbH, einen renommierten Familienbetrieb, der sich seit Generationen auf die Herstellung von Kirchenglocken spezialisiert hat. Rudolf Perner erklärte den Gästen die verschiedenen Schritte des Produktionsprozesses und gab spannende Einblicke in den Werdegang seines Unternehmens. Dabei wurde deutlich, wie eng in diesem Handwerk Kunstfertigkeit und christlicher Glaube miteinander verbunden sind. „Bevor der Guss der Glocken beginnt, sprechen wir ein Gebet“, betonte Perner und unterstrich damit die spirituelle Dimension seines Schaffens.

Besuch bei der Glockengießerei Perner
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Nach einer Mittagspause im Restaurant „Am Paulusbogen“, das mit seiner Lage direkt an der Donau beeindruckte, führte ein kurzer Spaziergang die Gruppe zum Passauer Dom St. Stephan. Dort erwartete die Teilnehmenden eine exklusive Führung durch Matthias Koopmann, der die historische und kulturelle Bedeutung dieses Bauwerks hervorhob. Besonders beeindruckte die Gäste die kunstvolle Handwerksarbeit des Freskenmalers Tencalla und den Stuckateuren, die mit ihrer detailreichen Gestaltung und ihrem präzisen Können die Pracht des Doms hervorbrachten.
Der Nachmittag wurde mit einer Andacht in der Stadtpfarrkirche St. Matthäus, der evangelischen Hauptkirche Passaus, spirituell bereichert. Regionalbischof Friedrich Selter, theologischer Vorsitzender von Handwerk und Kirche, hielt zusammen mit dem Hausherrn der Stadtpfarrkirche, Dekan Jochen Wilde, die Andacht, die dazu einlud, über das Erlebte nachzudenken und die Verbindungen zwischen Handwerk, Glaube und Gesellschaft zu vertiefen.

Handwerk und Kirche zu Gast im Evangelischen Zentrum Passau
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Der Höhepunkt des Abends war der Empfang der Evangelischen Landeskirche Bayerns durch seinen Handwerksbeauftragten Roland Hacker, im Evangelischen Zentrum Passau. Dekan Jochen Wilde stellte die Räume zur Verfügung, begrüßte die Gäste herzlich und berichtete über die Herausforderungen und Chancen der evangelischen Kirche in einer überwiegend katholischen Region. 
Im Anschluss richtete Dieter Vierlbeck, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Handwerk und Kirche im Evangelischen Verband Kirche-Wirtschaft-Arbeitswelt, Grußworte an die Teilnehmenden. Dabei erinnerte er an das gemeinsame Projekt, die bundesweite Aktion „5000 Brote“, die die enge Zusammenarbeit von Handwerk und Kirche eindrucksvoll verdeutlicht. Zudem hob er Themen wie Fachkräftemangel und Nachwuchsgewinnung als zentrale Herausforderungen und verbindende Anliegen hervor.

Peter Lysy, Leiter des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt (KDA), eröffnete den Abend mit einem Grußwort, das sowohl zur Reflexion als auch zur Inspiration anregte. Er betonte die kulturelle und geistliche Bedeutung von Traditionen wie „Grüß Gott“ oder „Vergelt’s Gott“ und hob hervor, dass diese Grußformeln in der heutigen Zeit nicht mehr selbstverständlich sind. Dabei stellte er dar, wie sich Handwerk und Kirche trotz Veränderungen in der Gesellschaft weiterhin eng miteinander verbunden fühlen. „Es gibt Handwerker, die sich einen Segen beim Antritt der Walz wünschen, und andere, die die Kirche zur Einweihung ihres Betriebes einladen“, erklärte Lysy und schilderte eindrucksvoll die vielfältigen Berührungspunkte zwischen den beiden Bereichen. 

Tag 3: Abschluss und Delegiertenversammlung
Der dritte und letzte Tag der Bundestagung war den Delegierten der Arbeitsgemeinschaft Handwerk und Kirche gewidmet. Die Versammlung begann mit einer Andacht, die von Friedrich Selter, dem theologischen Vorsitzenden der AHK, geleitet wurde.
Es folgte ein inspirierender Vortrag von Hille de Maeyer, Handwerkspastorin der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers, unter dem Titel „Auf Treu und Glauben. Ein Streifzug durch die Bibel“. In ihrer Präsentation beleuchtete sie die Werte von Vertrauen, Ehrlichkeit und Glauben, die Handwerk und Kirche miteinander verbinden.

Gesprächsrunde
Bildrechte Angela Haubrich

Die Delegierten nutzten die Fishbowl-Methode, um über dringende Themen zu diskutieren, darunter Willkommenskultur, Ausbildungssysteme und die Öffentlichkeitsarbeit für den Bereich Handwerk und Kirche. Dabei ging es insbesondere darum, wie mehr Menschen von diesen Initiativen erfahren können. 
Außerdem präsentierte der Vorstand unter der Leitung von Dieter Vierlbeck seinen Bericht über das vergangene Jahr.
Mit zahlreichen neuen Eindrücken, Kontakten und Ideen verabschiedeten sich die Teilnehmenden von Passau.
Wir möchten uns herzlich bei der Handwerkskammer Niederbayern und Oberpfalz bedanken, insbesondere bei Kathrin Zellner, der Vizepräsidentin, und Alexander Stahl, dem Geschäftsführer.

 

Fazit: Diese Tagung ist ein hervorragendes Beispiel für „Kirche am anderen Ort“. Besonders bemerkenswert sind die vielen „kleinen“ Begegnungen, wie die des Kochs, der am Samstagabend das übrig gebliebene Essen zur Bahnhofsmission bringt und dort täglich Mahlzeiten spendet. Oder Glockengiesser Rudolf Perner, der hervorhebt, dass wir mehr Demut in unserer Gesellschaft benötigen und vor jedem „Anstich“ gemeinsam mit seinem Team betet.

Belegschaft der Glockengießerei Perner
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Wir freuen uns auf nächstes Jahr, wenn wir wieder mit Handwerk und Kirche unterwegs zu den Menschen sind.

Text und Fotos: Angela Haubrich, KWA, 19.11.2024

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