Experten tauschen sich im Schloss aus

Pankraz Freiherr von Freyberg (r.) aus Passau referierte über seinen Vorfahren: Pankraz von Freyberg zu Hohenaschau (1509-1565) ein bayerischer Unternehmer, Politiker, reformatorischer Kämpfer und Wegbegleiter von Graf Joachim.
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Pankraz Freiherr von Freyberg (r.) aus Passau referierte über seinen Vorfahren: Pankraz von Freyberg zu Hohenaschau (1509-1565) ein bayerischer Unternehmer, Politiker, reformatorischer Kämpfer und Wegbegleiter von Graf Joachim.

Ortenburg. 2023 ist für Ortenburg ein Jubiläumsjahr: Am 4. März wurde „450 Jahre Reichsunmittelbarkeit“ gefeiert. Reichsunmittelbar waren im Spätmittelalter Personen und Institutionen, die direkt und unmittelbar dem Kaiser untergeben waren. Ortenburg war eine solche reichsunmittelbare Grafschaft, aber die wurde vom Wittelsbacher Herzog Albrecht bestritten und erst 10 Jahre nach der „Ortenburgischen Reformation“ vom Reichskammergericht bestätigt.

Der Förderkreis Schloss Ortenburg hatte anlässlich dieses Jubiläums auf Schloss Ortenburg zu einem Symposion eingeladen und vier Experten gewinnen können, die das Ereignis aus ganz unterschiedlichen Richtungen erläuterten und würdigten.

In einer Andacht erinnerte Pfarrerin Sonja Sibbor-Heißmann daran, dass die Reformation vor allem ein lauter Ruf nach Freiheit gewesen sei, aber auch viele Ordnungen ins Wanken gebracht habe.

 

Dr. Bernhard Lübbers, seit 2008 Leiter der Staatlichen Bibliothek in Regensburg hatte grundsätzliche Informationen zu „Ortenburgern und Wittelsbachern im Konflikt“.

Der Wittelsbacher Herzog Albrecht, so Dr. Bernhard Lübbers, wird als jemand beschrieben, der ursprünglich eher zu Kompromissen bereit gewesen sei und sich mit Joachim durchaus gut verstanden habe. Der wiederum habe großen politischen Einfluss gehabt und das aus zwei Gründen. Als Reichsregent war er Reichsstand und konnte an Reichstagen teilnehmen und als Inhaber mehrerer bayerischer Herrschaften als Landstand auch an den Landtagen.

Erst als Herzog Albrecht sich bedroht gefühlt habe, vor allem ab der Ortenburgischen Reformation, 1563 sei eine Feindschaft entstanden. Ab diesem Zeitpunkt seien Teile des Adels nicht mehr bereit gewesen, sich dem Herzog zu unterwerfen. Und Graf Joachim war ein gewichtiger Sprecher des Adels, der sich zudem vom habsburgischen Kaiser Maximilian geschützt fühlte, was den Wittelsbacher Herzog sehr geärgert habe und die Auseinandersetzung eskalieren ließ.

Joachim wurde nach München zitiert, angeklagt, mit dem Öffnungsrecht (ius aperturae) bedroht, was schließlich auch angewandt wurde und mit dem Entzug gräflicher Besitzungen bestraft. Wittelsbacher Reiter setzten die Ortenburger Pfarrer fest und brachten sie außer Landes. Man verdächtigte den Adel mit Joachim als „Sprecher einer Bewegung“ der Verschwörung und erhob Anklage. Der Adel war verängstigt und unter den Landständen gab es ohne die Leitfigur Joachim keine organisierten Evangelischen mehr. 1570 war der Widerstand der Stände gebrochen. Nicht so die Anziehungskraft der Evangelischen, die Gottesdienste wurden weiterhin von Menschen diesseits und jenseits der Grafschaft besucht, obwohl es bayerischen Untertanen verboten war, Ortenburg zu betreten.

 

Pankraz Freiherr von Freyberg, ehemaliger Intendant der Festspiele Europäische Wochen stellte mit seinem gleichnamigen Vorfahren (1508 – 1565) einen bayerischer Unternehmer, Politiker und reformatorischen Kämpfer und Wegbegleiter von Graf Joachim vor.

Pankraz von Freyberg 1562 das Eisenhüttenwerk in Hohenaschau gegründet, sodass Herzog Albrecht den erfolgreichen Unternehmer zu seinem Hofmarschall gemacht hatte. Schon bald kam es zu einem ersten Konflikt mit Albrecht. Bei der Ostermesse im Kloster Fürstenfeld wollte Pankraz den Kelch zum Abendmahl, eine der zentralen Forderungen der Protestanten. Herzog Albrecht forderte ihn auf, darauf zu verzichten, weil er ganz offenbar Aufsehen vermeiden wollte. Pankraz legte darauf sein Amt nieder.

Im Juni 1564 wurde er zusammen mit Joachim von Ortenburg und Wolf Dietrich von Maxlrain wegen Verdachts einer Verschwörung angeklagt, der sich aber nicht erhärten ließ, wohl aber eine Beleidigung des Herzogs. Trotz einer Abbitte wurde Pankratzr in Haft genommen, auch weil er sich weigerte, preiszugeben, wer ihn von dem anstehenden Prozess in Kenntnis gesetzt hatte. Nach zwei Monaten im Münchner Falkenturm wurde er entlassen, vom Landtag ausgeschlossen und auf seine Güter verbannt, wo er ein Jahr später starb.

 

Stefan Wild aus Ortenburg, er publiziert als Heimatforscher seit 2012 die reiche Geschichte Ortenburgs. Zusammen mit seiner Frau Doris betreibt er die Internetplattform „Ortenburgica“. Mit Videos wollen sie die Einzigartigkeit der Geschichte Ortenburgs herausstellen.

Mattighofen war der Geburtsort des Grafen Joachim. Die Größe der Herrschaft, so Stefan Wild sei mit Ortenburg vergleichbar gewesen. Graf Christoph von Ortenburg, der evangelische Vater Joachims, hatte das Schloss vom Bayerischen Herzog für 4.500 Gulden erworben. Mit dem Kauf erhielt er auch Rechte und Besitzabrundungen. Fortan nannte der sich Graf zu Ortenburg und Mattighofen

1551 wurde auch Sohn Graf Joachim mit Mattighofen belehnt, war nun amtierender Graf. Er stellte das Schloss fertig, investierte in den Markt und baute die Stiftskirche aus, die fortan neue Grablege der Grafen wurde. Seine zweite Frau, Anna von Firmian, wurde dort beigesetzt. Auch in Mattighofen begannen die Glaubenskonflikte.

Als in Ortenburg 1563 die Reformation durchgeführt worden war und Herzog Albrecht vergeblich deren Rückgängigmachung gefordert hatte, wurde am 11. Mai 1563 das Schloss in Mattighofen gewaltsam besetzt. Im Schloss blieben die gräfliche Kanzlei und mit ihr der gräfliche Briefwechsel, mit dem die unterstellte Verschwörung nicht bewiesen werden konnte.

 

Kreisheimatpfleger Dr. Wilfried Hartleb, war von 2001 bis 2016 Kulturreferent und Leiter des Kulturreferates im Landkreis Passau und referierte über die Verbindungen zwischen der evangelisch-lutherischen Reichsgrafschaft Ortenburg und der Grafschaft Neuburg am Inn.

In der benachbarten Grafschaft Neuburg regierte Graf Julius von Salm (1531 bis 1595). Er war nur ein Jahr jünger als Graf Joachim, lutherisch und gehörte zu den österreichischen Landständen.  Julius versuchte auf die Seelsorge seiner Grafschaft Einfluss zu nehmen und stellte lutherische Prediger als Hofprediger an. Bayerische Untertanen kamen dann verbotenerweise auch zu den Predigten auf Schloss Neuburg. Als die lutherischen Prädikanten Coelestin und Karrer aus Ortenburg vertrieben wurden, nahm sie Graf Julius auf und ließ sie auf der Neuburg predigen. Dagegen intervenierte der Passauer Bischof bei Kaiser Ferdinand und die beiden mussten die Neuburg verlassen.

Fast ein Jahrzehnt lang (bis 1593) wurde die Grafschaft Neuburg Zufluchtsort für die Ortenburger Gemeinde, weil Graf Joachim calvinistische Prediger angestellt hatte. Zum Pfingstfest 1588 zogen 200 Ortenburger auf die Neuburg zum Gottesdienst und der calvinistischen Pfarrer in Ortenburg wartete vergeblich auf Gottesdienstbesucher.

Als Strafen gegen „Abtrünnige“ nichts nützten, wählte Joachim statt der Konfrontation die Täuschung und ließ den Katechismus Martin Luthers im calvinistischen Sinne umschreiben, was ihm die glaubensstarken Ortenburger jedoch nicht durchgehen ließen, sodass er schließlich kapitulieren musste.

Dennoch: Das abschließende Urteil des Reichskammergerichtes, das die Reichsunmittelbarkeit der Protestanten der Grafschaft am 4. März 1573 bestätigte. war ein Sieg für die Glaubensfreiheit. 10 Jahre nach der Entscheidung des Reichsgrafen Joachim konnte nun auch ganz offiziell in Ortenburg evangelischer Gottesdienst gehalten werden. Das war zugleich Voraussetzung dafür, dass die evangelische Insel Ortenburg bestehen bleiben konnte und in der harten Zeit der Gegenreformation Zufluchtsort für sehr viele Glaubensflüchtlinge wurde.

 

Text: PNP/Klaus Engel