Ein Jahr ForuM-Studie

ForuM-Studie Deckblatt
Bildrechte Dekanat/Mauch

Fortschritte und Herausforderungen bei der Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt
 
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat mit der ForuM-Studie vor einem Jahr einen wichtigen Meilenstein zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in Kirche und Diakonie gesetzt. Landesbischof Christian Kopp betont die Bedeutung dieser umfassenden, deutschlandweiten Untersuchung: „Mit der ForuM-Studie haben wir einen Überblick über das komplexe Feld erhalten. Dies war ein entscheidender Schritt, um betroffenen Personen immer besser gerecht zu werden.“
 
Die Studie zeigte deutliche Unterschiede in den Herangehensweisen der Landeskirchen und diakonischen Landesverbände. Landesbischof Christian Kopp unterstreicht: „Wir arbeiten an einer Vereinheitlichung der Abläufe, etwa durch die Abschaffung des Spruchverfahrens und die Einführung eines einheitlichen Verfahrens für Anerkennungsleistungen. In Bayern sind wir zudem mit der Schaffung der Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommission (URAK) und der Bildung einer Betroffenenvertretung gut vorangekommen.“
 
Der Schwerpunkt beim Thema Prävention liegt auf Schulungen für Ehren- und Hauptamtliche sowie der Erstellung situationsorientierter Schutzkonzepte. Bis Ende 2025 sollen diese flächendeckend in den Kirchengemeinden erarbeitet sein. Dennoch räumt der Landesbischof ein, dass es schwierig ist, die selbst gesteckten hohen Ziele in der vorgegebenen Zeit zu erreichen: „Wir setzen die Latte bewusst hoch und wollen wirksame Lösungen und Konzepte vor Ort. Vieles ist auf einem guten Weg, aber manches, wie die Schutzkonzepte, braucht einfach Zeit.“
 
Die Wichtigkeit des Themas sexualisierte Gewalt sei in der breiten Fläche der Gesellschaft und Kirche nicht überall präsent. Dennoch nehme der Landesbischof eine zunehmende Sensibilisierung wahr: „Es gibt ein wachsendes Bewusstsein für die Notwendigkeit von wirksamen Maßnahmen, auch wenn das Thema für viele ein Tabuthema ist.“
 
Für den Landesbischof war der größte Lerneffekt beim Umgang mit sexualisierter Gewalt, wie entscheidend ein konsequentes und transparentes Vorgehen ist: „Gerade für betroffene Personen ist Verlässlichkeit und Offenheit essenziell. Die Herausforderungen sind groß – sei es bei der Aufarbeitung einzelner Fälle, der Bereitstellung angemessener Personalkapazitäten oder der Erhellung des Dunkelfelds.“
 
Abschließend betont Kopp: „Es geht darum, als Kirche ein noch sichererer Ort zu werden, an dem Gewalt keinen Platz hat. Wir sind uns der großen Aufgabe und unserer Verantwortung bewusst und stellen uns ihr mit aller Entschlossenheit.“
Text: Christine Büttner, Pressesprecherin ELKB, Foto: Mauch



Informationen zum Stand der Entwicklungen in der ELKB ein Jahr nach Veröffentlichung der ForuM-Studie


Die am 25.01.2024 veröffentlichte ForuM-Studie ist ein zentraler Meilenstein auf dem Weg der institutionellen Bearbeitung des Themas sexualisierte Gewalt. Erstmals wurden evangelische Kirche und Diakonie deutschlandweit systematisch untersucht, um Risikofaktoren zu identifizieren und Empfehlungen auszusprechen. Für die Evangelisch-lutherische Kirche in Bayern (ELKB) bestanden die zentralen Aufgaben innerhalb des letzten Jahres darin, die Verfahrenswege in der Fachstelle zu überprüfen und anzupassen, in allen Bereichen der Landeskirche für das Thema zu sensibilisieren und zusammen mit der Diakonie Bayern eine Betroffenenvertretung zu bilden sowie die Einrichtung einer Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommission (URAK) vorzubereiten.

 

Im Folgenden finden Sie wichtige Zahlen, Daten und Fakten:

 

Wie viele Meldungen gingen nach Veröffentlichung der ForuM-Studie bis Ende 2024 bei der Meldestelle ein?

Die Zahl der Meldungen in der ELKB hat sich 2024 mit insgesamt 64 im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. 2023 waren es 32 Meldungen. Von den Meldungen im Jahr 2024 bezogen sich 20 auf alte Vorfälle, 44 auf neue Verdachtsfälle. Der Anstieg der Meldungen hängt mit der gestiegenen Sensibilität der Menschen durch Schulungsmaßnahmen in der ELKB, mit einer zunehmenden Sprachfähigkeit in diesem Bereich und mit etablierten, strukturierten Verfahrenswegen zusammen.
Dabei ist zu beachten, dass den in Bayern erfassten Meldungen ein erweiterter Begriff von sexualisierter Gewalt zugrunde liegt: Er umfasst grenzverletzendes Verhalten und reicht bis hin zu strafrechtlich relevanten sexuellen Übergriffen. Die Fachstelle für den Umgang mit sexualisierter Gewalt in der ELKB wurde wegen des Arbeitsanstieges mit einer halben Stelle für juristische Beratung und einer halben Assistenzstelle weiter ausgebaut.
Wie viele Prüfverfahren gab es bei der Staatsanwaltschaft?
Die Generalstaatsanwaltschaft hatte nach Veröffentlichung der ForuM-Studie eine Liste zu Missbrauchsvorwürfen ab 1975 von der ELKB angefordert. Eine Liste mit 206 Datensätzen ist ihr daraufhin übermittelt worden. Nach Überprüfung der Datensets sind 86 Datenkonvolute von der Generalstaatsanwaltschaft an die jeweiligen örtlichen Staatsanwaltschaften zur weiteren Überprüfung übergeben worden. Nach Kenntnis der ELKB ist aufgrund der Prüfverfahren bisher
ein Ermittlungsverfahren eröffnet worden. In einem weiteren Fall wurde das Prüfverfahren erweitert.

Was ist im Bereich Aufarbeitung in den vergangenen Monaten in der ELKB geschehen?

Aufarbeitung bleibt auf allen Ebenen der Kirche eine konsequent weiter zu entwickelnde Aufgabe. In einem kontinuierlichen Entwicklungsprozess, eng abgestimmt mit der EKD-Ebene, entstehen verschiedene Aufarbeitungsformate. Sie reichen von der Begleitung von lokalen, kleineren Aufarbeitungsprozessen bis hin zu großen, extern begleiteten Aufarbeitungsprozessen mit mehreren beteiligten Institutionen.

Wie ist der Stand bei der Formierung der Betroffenenvertretung und der Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommission (URAK) Verbund Bayern?

Die mandatierte Betroffenenvertretung ist gebildet. Sie besteht aus sieben Mitgliedern aus dem Bereich Diakonie und verfasster Kirche. Die Mitglieder der URAK sind benannt und die geschäftsführenden Referentinnen sind bestimmt. Auch hier sind neue Stellen eingerichtet worden: eine ganze Stelle für die Geschäftsführung und eine halbe Stelle für die Assistenz. Die URAKs sind auf Basis einer Gemeinsamen Erklärung zwischen UBSKM, Diakonie und EKD konzipiert worden. Sie sollen im Frühjahr 2025 ihre Tätigkeit beginnen. In ihrer Arbeit sind die URAKs unabhängig.

Wie viele Anträge für Anerkennungsleistungen wurden gestellt, wie viele bewilligt und welche Summen wurden ausgezahlt?

Bei der Anerkennungskommission (zuständig für ELKB und Diakonie Bayern) wurden bis zur Veröffentlichung der Studie 75 Anträge gestellt und etwa 1,5 Mio. Euro ausgezahlt. Nach Veröffentlichung der Studie wurden 28 Anträge gestellt, 19 davon sind entschieden und Anerkennungsleistungen in Höhe von 468.000 Euro zugesprochen. 9 Anträge sind in Bearbeitung.

Wie sieht es mit der Prävention in Kirchengemeinden, Dekanatsbezirken und kirchlichen Einrichtungen aus?

Im Jahr 2024 haben sich 3.650 Haupt- und ehrenamtliche Personen in der ELKB in 150 Schulungsformaten zum Thema Prävention schulen lassen. Die Kirchengemeinden, Dekanatsbezirke und kirchlichen Einrichtungen in Bayern erarbeiten ihre jeweils eigenen Schutzkonzepte. 60 Schutzkonzepte sind im Abnahmeprozess bzw. schon fertiggestellt. 360 Kirchengemeinden werden gerade im Entwicklungsprozess begleitet. Bis Ende 2025 soll eine Vielzahl dieser Konzepte fertiggestellt sein. Viele Kirchengemeinden beginnen jetzt, nachdem die neuen Kirchenvorstände im Dezember 2024 ihr Ehrenamt angetreten haben.
Präventionsbeauftragte, Ansprechpersonen und Multiplikatorinnen und -multiplikatoren werden ausgebildet und vernetzen sich untereinander.

Was steht 2025 für die EKD und die ELKB als Landeskirche an?

Für die EKD: Die neue Anerkennungsrichtlinie zur Vereinheitlichung der Anerkennungsleistungen in EKD und Diakonie Deutschland soll in diesem Jahr verabschiedet werden, damit betroffene Personen vergleichbare und einheitliche Anerkennungsleistungen erhalten. Außerdem wird eine unabhängige, zentrale Ombudsstelle für betroffene Personen eingerichtet. Geplant ist die Zusammenarbeit mit einer externen, nicht kirchlich-diakonischen Stelle. Um die Perspektive der Betroffenen zu erweitern, wird im Januar 2025 ein Gaststatus beim Beteiligungsforum eingeführt. Interessierte Betroffene können über die Teilnahme in den Themen-AGs des Beteiligungsforums Sexualisierte Gewalt ihre Anliegen einbringen.

Für die ELKB: Die Tagung „Die verdammte Macht“ vom 27.-28. Januar 2025 in der evangelischen Akademie Tutzing hat zum Thema, wie Macht in der Kirche transparent und verantwortungsvoll gestaltet werden kann, so dass es keine Gelegenheiten für sexualisierte Gewalt mehr geben kann. Die Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommission (URAK) und die Betroffenenvertretung nehmen im Frühjahr ihre Arbeit auf. Die Anerkennungsrichtlinie der EKD wird auf bayerischer Ebene umgesetzt. Die Arbeit in der Fachstelle für den Umgang mit sexualisierter Gewalt wird weiterentwickelt und die Erstellung der Schutzkonzepte in kirchlichen Einrichtungen und Gemeinden vorangetrieben.

Wo gibt es weitere Informationen zum Thema?

Fachstelle für den Umgang mit sexualisierter Gewalt in der ELKB
Evang.-Luth. Kirche in Bayern
Katharina-von-Bora-Str. 7-13
80333 München
Tel.: 089 5595 522
Mail: FachstelleSG@elkb.de
www.aktiv-gegen-missbrauch-elkb.de
Leitung: Martina Frohmader
Mail: martina.frohmader@elkb.de
Stand: 21. Januar 2025