Ob Tageszeitung oder Fahrplan das geschriebene Wort beeinflusst unser Leben täglich. Und die Bibel? Die Uniprofessorin Dr. Nadine Hamilton im Gespräch mit Kirchenvorsteher*innen des Evangelischen Dekanats Passau.
Rund 10 Personen laufen kreuz und quer durch einen Seminarraum. Ulrich Jung vom Religionspädagogischen Zentrum Heilsbronn bringt die Teilnehmer seines Workshops im Rahmen der Dekanatsaufbautage am Samstag, 29. April im Haus Spectrum Kirche in Bewegung. Dann ruft er das Wort „Schrei“. Alle bleiben wie eingefroren stehen und versuchen es in Körperhaltung und Mimik auszudrücken. Andere Worte die mit der biblischen Geschichte vom blinden Bettler Bartimäus zu tun haben folgen: Jesus, blind, Mantel Zuschauer, Mut, …
Darstellendes Spiel nennt sich der Workshop des Pfarrers und Theaterpädagogen für die evangelischen Kirchenvorsteher*innen aus dem Dekanatsbezirk Passau. Das Rollenspiel vermittelt einen anderen Blick auf die Texte der Bibel, die Geschichte wird lebendig, die Perspektiven vielfältiger.
Im Workshop Kalligraphisches Gestalten der Kalligraphin Annemarie Schmeller geschieht das in ähnlicher Weise mit Schreiben und Pfarrerin Ulrike Kuschel bietet eine Bibelmeditation an. Drei Möglichkeiten, drei Zugänge um biblische Texte auf sich wirken zu lassen.
In allen drei Workshops konnten die 33 Teilnehmer ausprobieren, was sie zuvor von Dr. Nadine Hamilton, Professorin für Systematische Theologie an der Universität Regensburg in einem Vortrag über die Auslegungsmöglichkeiten der Bibel erfahren hatten. So machte die Theologin an Hand der letzten Worte Jesu am Kreuz deutlich, wie unterschiedlich diese durch die Evangelisten Markus, Matthäus, Lukas und Johannes überliefert wurden, und fragt: „Was ist nun richtig, was stimmt? Wie soll man sich da, nach der Schrift richten? Wie ist nun mit der Bibel umzugehen? Wie kann sie Regel und Richtschnur bleiben?“
Mit dem manchmal sperrigen, überraschenden und widersprüchlichen Buch - der Bibel beschäftigten sich die Kirchenvorsteher*innen bei den Dekanatsaufbautagen.
Wir müssten schauen, was ist die Botschaft hinter dem Text und diesen auf uns wirken lassen, riet Theologieprofessorin Hamilton. Die Texte der Bibel forderten ständig heraus und seien kein Regelwerk. „Wir sollten die Bibel wie einen Liebesbrief lesen“ zitiert sie den dänischen Philosophen Sören Kierkegaard. Nicht wörtlich, sondern mit dem Herzen lesen, den Bibeltext wirken lassen, die Schrift als eine Einladung zum Gespräch wahrnehmen. Dadurch gewinne er eine neue Dimension. Es gehe um eine Wahrnehmung einer anderen Wirklichkeit der Welt, die in den Bibeltexten zum Ausdruck kämen. Diese Art von Wahrnehmung sei durch die Historisierung der Bibel leider verloren gegangen.
Die letzten Worte Jesu unterschiedlich von den Evangelisten nieder geschrieben spiegeln unterschiedliche Perspektiven und Glaubenserfahrungen wider. „Die Schrift als reformatorisches Streitprinzip ist gerade darin lebendig, dass sich darüber gestritten wird, wie Gottes Wort für uns je heute zu verstehen ist. Denn Gottes Wort ist keine abstrakte überzeitliche Wahrheit…“ führt die Theologin in ihrem Vortrag vor den evangelischen Kirchenvorsteher*innen aus. Im Gespräch mit der Schrift über die Schrift sei dann die Aufgabe, die den Glaubenden gestellt sei. An diesem Gespräch sollten wir unser Leben ausrichten.
Die Dekanatsaufbautage des Evangelischen Dekanats im Haus Spektrum Kirche endeten mit einem Gottesdienst mit Abendmahl, einer Feedbackrunde und Reisesegen am späten Nachmittag.
Text und Fotos: Hubert Mauch