(v.l.n.r.) Wolfgang M. Gradel (Ärztlicher Kreisverband Passau), Cornelia Wasner-Sommer (Bezirksrätin), Psychologe Jörg Stadler (ehemaliger Leiter des SpDi)), Dr. Stefan Wosnik (Bezirkskrankenhaus Passau), Dekan Jochen Wilde, Diakon Konrad Niederländer (Caritas), Werner Kölbl (Abteilungsleiter SpDi)
Am Welttag der seelischen Gesundheit, Donnerstag, 10. Oktober feierte die Beratungsstelle für psychische Gesundheit – Sozialpsychiatrischer Dienst (SpDi) im Evangelischen Zentrum St. Matthäus ihr 40-jähriges Jubiläum. Gleichzeitig wurde die Ausstellung „Drück dich aus“ des Aktionsbündnis zum Welttag im benachbarten Haus der Generationen eröffnet. Eine weitere Ausstellung zum Jubiläum mit dem Titel „LebensBilderReise – Aktiv gegen Depression“ wird von Montag, 14. bis Freitag, 18. Oktober im Leonhard-Paminger-Saal des Diakonischen Werks Passau zu sehen sein. Musikalisch begleitet wurde der Jubiläumakt durch das Duo Sax’n Pi mit Peter Tilch am Saxophon und Kirchenmusikdirektor Ralf Albert Franz am Flügel.
Angst und Depression ist das Thema der Ausstellung „Drück dich aus“ im Haus der Generationen.
„Seit Jahren steigt die Zahl der Ratsuchenden“ gibt die Vorständin des Diakonischen Werks Sabine Aschenbrenner den rund 80 Jubiläumsgästen bei ihrer Begrüßung zu bedenken. Für Menschen in Krisensituationen seien die Wartezeiten für einen Therapieplatz zu lang. „Der sozialpsychiatrische Dienst bietet hier die Möglichkeit zu Gespräch, kostenlos, niederschwellig und mit geringen Wartezeiten.“ Dieses Angebot würde staatlicherseits aber nicht ausreichend finanziert. Sie appellierte an die politisch Verantwortlichen: „Es wird uns in den kommenden Jahren auf die Füße fallen, wenn im sozialen Bereich laufend der Rotstift angesetzt wird“.
Schon jetzt sind in Deutschland 27,8 Prozent der Erwachsenen von einer psychischen Erkrankung betroffen, sagte Dekan Jochen Wilde in seinem Grußwort. Tendenz steigend. „Die Betroffenen bleiben oft im Verborgenen mit ihrer Erkrankung, trauen sich nicht, auf andere zuzugehen, schämen sich…“ Oft werde die Abwertung und Ausgrenzung neben der eigentlichen Erkrankung also genauso belastend empfunden. Es sei notwendig, dieses tabuisierte Thema ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Er sei dankbar und stolz, dass sich das Team des SpDi der Diakonie „um Abteilungsleiter Werner Kölbl dieser Personen und ihrer Angehörigen annimmt: kostenlos, unbürokratisch und anonym.“
Einen zunehmenden Beratungsbedarf stellte auch Diakon Konrad Niederländer von der Caritas in allen Bereichen fest. „Immer mehr Menschen haben Probleme ihr Leben und ihren Lebensalltag zu bewältigen.“ Die Ursachen psychischer Erkrankungen sind vielfältig. „Gesellschaftliche Erwartungen, der Versuch mithalten zu können, die Pandemie, soziale Unsicherheiten, Wandel der Arbeits- und Lebensbedingungen haben die Situation für viele verschärft.“ Daher sei das rechtzeitige Aussuchen einer Beratungsstelle wie den SpDi wichtig, um einen Weg aus einer solchen Lage zu finden.
Aus allen Bereichen der sozialen Beratung, der Politik, von Vereinen und Institutionen waren zum 40-jährigen Jubiläum der Beratungsstelle für psychische Gesundheit - Sozialpsychiatrischer Dienst ins Evangelische Zentrum gekommen um mitzufeiern. Hier lauschen sie den Ausführungen des ehemaligen Leiters des SpDi Jörg Stadler.
Der frühere Leiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes, Jörg Stadler schilderte in seinem kurzen Redebeitrag die Situation vor 40 Jahren. Für psychisch erkrankte Menschen gab es damals keinen Lebensraum, keine Angebote und wenig Unterstützung. Es sei erstmal wichtig gewesen die Bedürfnisse zu erkennen. Um ein gutes Umfeld zu schaffen sei das erste größere Projekt die Gründung einer Wohngemeinschaft gewesen, die heute als betreutes Wohnen selbstverständlich ist. Die Patienten bräuchten eine besondere Heimat, einen Wohnort, einen sozialen Treffpunkt und Beschäftigung. Ein weiterer wichtiger Punkt sei die Vernetzung mit den Krankenhäusern und anderen Einrichtungen und Bratungsstellen gewesen. Von damals zwei Hauptamtlichen wuchs der SpDi auf heute sechs Fachkräfte an.
Um das Thema Depression ging es im zweiten Kurzreferat von Dr. Stefan Wosnik vom Bezirkskrankenhaus Passau. Depressive Erkrankungen haben vielfältige Ursachen, erzählt er. Gerade bei Kindern und Jugendlichen habe sich in den letzten 11 Jahren die Zahl verdoppelt. Er wies auch auf die hohen Kosten psychischer Erkrankungen hin. 44 Milliarden Euro müssen die Krankenkassen im Jahr dafür ausgeben, den Arbeitsausfall gar nicht mitgerechnet. (Die Gesamtkosten werden in Deutschland auf rund 147 Mrd. Euro pro Jahr geschätzt) Vom menschlichen Leid ganz abgesehen fragte er: Können wir uns das leisten? Es müsse früher gegengesteuert werden, um psychische Erkrankungen zu verhindern. Das fange schon im Kindesalter an und forderte mehr Förderung zum Beispiel für Sport, wo Kinder Selbstwert erfahren könnten. Auch das frühe Erlernen von Achtsamkeitsübungen seien hilfreich psychischen Erkrankungen vorzubeugen. Das zeigten Studien. Sein Fazit: Vorbeugen statt Klinik. Ursachen bekämpfen statt Symptome heilen.
Angst und Panik ist das Gemälde betitelt. „Ich habe ‚Angst vor der Angst.‘, am meisten vor der Panikattacke.“ steht daneben geschrieben.
Werner Kölbl, der als Leiter des Sozialpsychiatrischer Dienstes die Jubiläumsfeierlichkeit moderierte, lud im Anschluss noch zum Besuch der Ausstellung „Drück dich aus“ in das benachbarte Haus der Generationen ein. Sie zeigt farbenkräftige Bilder, gemalt von Betroffenen zum Thema Depression und Angst und ist noch bis zum 31. Oktober zu sehen. Die Ausstellung „LebensBilderReise – Aktiv gegen Depression“ im Leonhard-Paminger-Saal des Diakonischen Werks Passau zeigt die vielen Gesichter der Erkrankung, die nur schwer in Worte zu fassen sind. Sie kann vom 14. – 18. Oktober ohne Voranmeldung zu den Bürozeiten besucht werden.
Text und Fotos: Hubert Mauch